Für Wasser wurde der
komplexe Brechungsindex von verschiedenen Autoren
gemessen. Der Imaginärteil k ergibt sich durch Absorptionsmessungen an
keilförmigen Absorptionszellen [Downing, Williams, 75]. Der Realteil n wird hauptsächlich aus Reflexionsmessungen
gewonnen. Für verschiedene Spektralbereiche müssen unterschiedliche Detektoren
und Me\3aufbauten verwendet werden. Aufgrund der experimentellen
Schwierigkeiten und der extrem geringen Eindringtiefe von Infrarotstrahlung in
Wasser, ergeben sich signifikante Abweichungen zwischen den veröffentlichten
Resultaten ([Irvine, Pollack, 68]), speziell für den Imaginärteil k. Die umfangreichste (und
gleichzeitig vertrauenswürdigste) Sammlung für reines (destilliertes) Wasser
findet sich bei [Downing, Williams, 75]. Sie deckt den kompletten Spektralbereich von 2 bis 1000 µm ab.
n(l)
Abbildung: Realteil n(l) des komplexen
Brechungsindexes N (Daten aus [Downing, Williams, 75]).
k(l)
Abbildung: Imaginärteil k(l) des komplexen
Brechungsindexes N (Daten aus [Downing, Williams, 75]).
Für den Spektralbereich von 2 bis 100 µm sind diese Daten in den
Abbildungen 2.15 und 2.16 dargestellt. Sie zeigen
jeweils den Realteil n bzw. den Imaginärteil k des komplexen
Brechungsindexes von reinem Wasser. Die größte Variation für diese beiden
Größen liegt im Bereich von 2 bis 20 µm. Dort befinden sich Absorptionsbanden
des Wassermoleküls. Innerhalb dieses Bereichs (von 3-5 µm) ist die AMBER
Radiance 1 Kamera empfindlich und der verwendete CO2-Laser emittiert
Strahlung bei 10.6 µm. Daher sind alle Darstellungen der optischen
Eigenschaften von Wasser im folgenden über einer logarithmischen
Wellenlängenskala geplottet, um den Bereich für kleine Wellenlängen
detaillierter aufzulösen.
Aus diesen Werten von n und k lassen sich nun die
messbaren optischen Eigenschaften von Wasser ableiten. Aus (2.69) ergibt sich der
Absorptionskoeffizient b und damit die Eindringtiefe
V ({2.70) für verschiedene
Wellenlängen. Abbildung 2.17 zeigt diese für das
Wellenlängenintervall von 2 bis 100 µm in doppelt-logarithmischer Darstellung.
b;V
Abbildung: Absorptionskoeffizient b(l) und Eindringtiefe V(l)=b-1(l) für Wasser (berechnet mit
den Daten für k(l) aus [Downing, Williams, 75]).
Erkennbar ist, dass innerhalb des empfindlichen Spektralbereiches der
AMBER Kamera die Eindringtiefe über zwei Größenordnungen variiert! Daher kann
keine gemittelte Eindringtiefe für den gesamten Bereich von 3-5µm angegeben
werden. Speziell bei großen Temperaturgradienten innerhalb der oberen 100µm der
Wasseroberfläche muss dies bei der Interpretation des Kamerabildes
berücksichtigt werden (siehe Kapitel 2.4.3).
Eine weitere Größe, die zur Abschätzung der Messfehler in Thermographiebildern
der Meeresoberfläche wichtig wird, ist die mittlere Reflektivität r der Wasseroberfläche (bei
senkrechter Beobachtung) im Wellenlängenintervall der Kamera und bei der
Laser-Wellenlänge. In Tabelle 2.1 sind die aus [Downing, Williams, 75] berechneten Mittelwerte
für n und k zwischen 3-5 µm und die Werte für n und k
bei der Wellenlänge des CO2-Lasers (10.6µm) zusammengestellt. Die
Reflektivität r und die Emissivität e = 1 - r ergeben sich damit aus (2.71).
Tabelle: Zusammenstellung
von Brechungsindex, Reflektivität und Emissivität bei 3-5µm (Mittelwerte) und
10.6µm.
Erkennbar ist, dass bei 10.6
µm die Emissivität größer als 0.99 ist. Für den CO2-Laser verhält
sich die Wasseroberfläche fast wie ein schwarzer Strahler. Bei senkrechter
Einstrahlung wird die Laserleistung zu mehr als 99% absorbiert. Im
Wellenlängenintervall der Kamera bei 3-5 µm ist die Reflektivität mehr als drei
mal so groß. Für beliebige Wellenlängen ergibt sich mit den Daten für n(l) und k(l) aus (2.71) die spektrale
Reflektivität
für sehr kleine Winkel (J<<1) gegen das Einfallslot. Abbildung 2.18 zeigt den Verlauf der
spektralen Reflektivität für Wellenlängen von 2 bis 100µm.
r^
Abbildung: Reflektivität für Wasser (berechnet mit den
Daten für n(l) und k(l) aus [Downing, Williams, 75]).
Der qualitative Verlauf ähnelt der Kurve für den Realteil des
Brechungsindexes (Abb. 2.15). Die spektrale
Reflektivität variiert jedoch über zwei Grö\3enordnungen, während n(l) nur Werte zwischen 1 und 2
annimmt. Die horizontale Linie zeigt den Mittelwert (r=0.02803) der Reflektivität
für das dargestellte Wellenlängenintervall. Daraus ist ersichtlich, dass sich
in der Nähe der Laser-Wellenlänge ein lokales Minimum der Reflektivität
befindet.
Für einen bestimmten Brechungsindex lässt sich aus den Fresnel'schen
Gleichungen (2.73) und (2.74) die Winkelabhängigkeit der
Reflektivität berechnen. Dies wurde für die beiden Realteile n des
Brechungsindexes in Tabelle 2.1 durchgeführt. Die
Abbildungen 2.19a und 2.19b zeigen die Komponenten r|| und r^ für Winkel von 0° bis 90°.
Zusätzlich ist in beiden Abbildungen noch das arithmetische Mittel r (2.75) eingezeichnet, welches für
unpolarisierte Strahlung die effektive Reflektivität darstellt.
r(J)
Abbildung: Winkelabhängigkeit der Reflektivität für
unterschiedliche Polarisationsrichtungen der Strahlung. (a): Mittelwert für den
Wellenlängenbereich 3-5µm. (b): Wellenlänge des CO2-Lasers (10.6µm).
Erkennbar ist, dass die
Reflektivität für Strahlung, die senkrecht zur Einfallsebene polarisiert ist,
mit wachsendem Winkel zunimmt. Für eine Polarisationsrichtung parallel zur Einfallsebene
nimmt die Reflektivität dagegen zunächst ab. Beim Brewster-Winkel (J1 + J2 = 90°) verschwindet sie
völlig und steigt danach wieder stark an. Für beide Polarisationsrichtungen
erreicht die Reflektivität den Wert 1 bei 90°. Der Mittelwert r aus beiden
Polarisationsrichtungen bleibt zunächst konstant. Der Abfall der Komponente r|| kompensiert den Anstieg
der Komponente r^. Für Winkel oberhalb des
Brewster-Winkels steigt auch r|| steil an und damit der
Mittelwert r. Dies führt zu dem
interessanten und wichtigen Ergebnis, dass die Reflektivität - und damit auch
die Emissivität (e(J) = 1 - r(J)) - von Wasser für Winkel
bis zum Brewster-Winkel nahezu konstant ist. Dieser beträgt für Wasser im
Infraroten 55° (für n » 1,4). Die Wasseroberfläche
lässt sich somit innerhalb dieses Winkelbereiches in guter Näherung als
Lambertscher Strahler annehmen und es gilt:
Abbildung 2.20 zeigt nochmals den Verlauf
von r(J) und e(J) für unpolarisierte
Strahlung über die volle Skala von 0 bis 1.
r,J
Abbildung: Winkelabhängigkeit der Reflektivität r und der Emissivität e für unpolarisierte Strahlung (Mittelwert für den Wellenlängenbereich
3-5µm).
Für Winkel oberhalb des Brewsterwinkels steigt die Reflektivität
schnell gegen 1 an, d. h. für große Winkel verhält sich Wasser wie
ein Spiegel. Bei Temperaturmessungen muss daher darauf geachtet werden, dass
der Strahlungsdetektor weitgehend senkrecht auf die Wasseroberfläche blickt.