Drehstuhlexperiment II

 

Im Versuch wird ein rotierendes Rad mit der Kreisfrequenz  und dem Trägheitsmoment   einer Person auf einem Drehstuhl mit dem Gesamtträgheitsmoment  (einschließlich Person) und der Anfangskreisfrequenz  

übergeben. Die Drehachse des Rades zeigt parallel zum Schwerkraftvektor.

 

Wir zerlegen den Gesamtdrehimpuls  in eine Komponente  parallel zur Schwerkraft und einen zweiten Vektor  senkrecht zur Schwerkraft.

 

 

Allgemein gilt für jede Komponente von :

 

 

Im zu beschreibenden Experiment wird das rotierende Rad der Versuchsperson auf dem Stuhl so übergeben, dass die Radachse parallel zur Stuhlachse zeigt. Der Stuhl ist zunächst fixiert, so dass sich der gesamte Drehimpuls im Rad befindet. Nach Loslassen des Stuhles ändert sich zunächst nichts. Es gelten also folgende Anfangsbedingungen:

 

 

 

 

Jetzt wird das Rad einmal um 90° gedreht (Radachse senkrecht zur Stuhlachse) und danach um 180° (Radachse antiparallel zur Stuhlachse):

 

 

 

roter Vektor:

Drehimpuls des Stuhles (mit Person)

blauer Vektor:

Parallele Drehimpulskomponente des Rades

grüner Vektor:

Senkrechte Drehimpulskomponente

 

 

grüner Punkt:

Kennzeichnung der rechten Hand.

 

  

 

Die Drehzahl des Stuhles erhöht sich kontinuierlich bei Kippung des Rades. Das Drehmoment zum Drehen des Rades nimmt oberhalb von 90° beim Drehen in die antiparallele Richtung stark zu. Der Stuhl wird aber in derselben Drehrichtung ordentlich beschleunigt. Die Zunahme der Drehzahl wird gut durch die zunehmende Bildunschärfe verdeutlicht.

 

90°-Drehung

 

Der Drehimpulserhaltungssatz liefert:

 

 

Der Energieerhaltungssatz fordert

 

 

 

Wird das Rad in die Horizontale gedreht, so geht Rotationsenergie des Rades auf Rotationsenergie des Stuhles über. Dabei ist das vertikale Trägheitsmoment des Rades zu berücksichtigen, welches bei Rotation um die Stuhlachse ebenfalls Energie aufnimmt. Das Rad mit dem Trägheitsmoment bei Rotation um die Radachse wird also langsamer.

Die Drehzahl des Stuhles folgt direkt aus dem Drehimpulserhaltungssatz. Wir substituieren mittels des Drehimpulssatzes  im Energiesatz und erhalten dann die Kreisfrequenz des Rades:

 

 

     

 

 

 

 

 

 

 

Die maximal erreichbare Drehzahl des Stuhles ist . In diesem Fall hat das Rad seine Energie völlig an den Stuhl abgegeben.

Im Falle einer Drehung der Radachse von 90° wird eine Drehimpulskomponente in senkrechter Richtung erzeugt (siehe grüne Pfeile in obiger Abbildung). Diese muss jedoch bei Gültigkeit der Drehimpulserhaltung wegen unserer Anfangsbedingung insgesamt verschwinden.  Während in paralleler Richtung die Drehbewegung von der Unterlage entkoppelt ist (jedenfalls nahezu bei idealer Lagerung), wird in vertikaler Richtung ein Drehimpuls auf den Erdball übertragen:

 

Wegen des riesigen Massenträgheitsmomentes der Erde ist ihre Drehimpulsänderung, die den vertikalen Drehimpuls des Rades kompensiert, zwar entgegengesetzt gleich groß, führt aber zu einer vernachlässigbaren Drehzahländerung:

 

 

Wäre der Drehstuhl kardanisch gelagert, sollte sich besser ein Artist und kein Dozent auf den Drehstuhl setzen.

 


180°-Drehung

 

Der Drehimpulserhaltungssatz liefert:

 

 

Der Energieerhaltungssatz fordert

 

 

Die Drehzahl des Stuhles erhält man, indem im Energiesatz  mittels des Drehimpulssatzes substituiert wird:

 

 

Die Drehzahl ist im Vergleich zu 90° etwa doppelt so hoch.