Der Magnuseffekt - Hörsaalversuch
Ein
Zylinder wird mit angeströmt und
rotiert mit . Die Relativgeschwindigkeit
der Gasströmung bezüglich des rotierenden Zylinders ergibt sich dann folgendermaßen:
Oberseite:
Unterseite:
Die
Anwendung der Bernoulligleichung liefert die Differenz der statischen Drücke zwischen
Unter- und Oberseite:
also
die Druckdifferenz
Nach
dem Ausrechnen erhält man für die Druckdifferenz:
Damit
ergibt sich die Kraft auf ein Oberflächenelement da zu
Die Gesamtkraft ergibt sich durch Integration über die gesamte (halbe) Oberfläche.
Wir betrachten ein Oberflächenelement dA = hrdj mit h als Zylinderlänge. Also gilt:
Wir interessieren uns für die
momentane Gesamtkraft, wenn die momentane Geschwindigkeit v(t) gegeben ist. Das
Skalarprodukt innerhalb der eckigen Klammern ergibt:
Das Kraftelement dj wirkt somit in Richtung des Radiusvektors
(blau-azur). Da derselbe Vektor auf der unteren Zylinderhälfte gespiegelt
angreift, bleibt in der Summe nur die nach „rechts“ gerichtete Komponente (rot-pink)
übrig. Für den Betrag von dFM erhält man somit:
Die Gesamtkraft folgt daher durch Integration zu
Die Magnuskraft
lässt sich daher durch folgende Beziehung ausdrücken
mit h als Zylinderlänge. Hat
der Zylinder die Masse m, so unterliegt er der Querbeschleunigung
Die Konstante C ist
dimensionslos und hat in unserem Hörsaalexperiment den Betrag C = 1,4.10-2.
Sie hat eine anschauliche Bedeutung:
bzw.
Die Größe C entspricht dem
Verhältnis der Dichte des Fluids (hier Luft) zur mittleren Dichte des
rotierenden Körpers
Im folgenden Video
ist der Flug des rotierenden Zylinders dargestellt. Der Zylinder schlägt hörbar
nach 3,4s auf. Infolge der Bewegung entsteht eine Unschärfe, die den Zylinder
als rechteckige Fläche erscheinen lässt.
Nachdem der Zylinder mit dem
Motor (Drehzahl 2000 U/min) aufgezogen wurde, wird er mit einem kurzen
Vorwärtsimpuls abgelassen. Im Rechenbeispiel wird mit einer horizontalen
Anfangsgeschwindigkeit von 1m/s gerechnet. Im freien Fall würde er nahezu senkrecht
innerhalb einer Sekunde nach unten fallen. Tatsächlich bewegt er sich auf einer
schrägen, anfangs abgeflachten Bahn mehrere Meter in den Raum hinein. Die
gesamte Flugzeit betrug 3,4s. Kurz vor dem Erreichen der Hörsaalwand schlägt
die Rolle in 7,1m Entfernung auf.
Aus den Einzelaufnahmen des
Videos (30 Bilder je Sekunde) kann folgende Trajektorie konstruiert werden:
Folgendes geschieht:
·
Durch den nahezu freien
Fall während der Anfangsphase des Fluges gewinnt der Zylinder eine vertikale
Geschwindigkeitskomponente vz, die dem Zylinder durch den
Magnuseffekt eine horizontale Geschwindigkeitskomponente vx
(Vortrieb) verleiht.
·
Die Horizontalbewegung
schließlich führt zu einem dynamischen Auftrieb, der den Zylinder wieder
steigen lässt.
·
Berücksichtigt man eine
Abbremsung durch den Luftwiderstand, so führt dies im Effekt zu einem
geringeren Auftrieb. Der Luftwiderstand bewirkt schließlich, dass sich der
Zylinder nahezu geradlinig gleichförmig bewegt.
Die Rechnung sieht
folgendermaßen aus:
Die Gesamtbeschleunigung ages
ergibt sich als Summe der Erdbeschleunigung g und der Beschleunigung durch den
Magnuseffekt aM :
Mit
bzw.
unter Verwendung der Abkürzung
gilt:
Die Vektoren und haben folgende
Komponenten (x-Weite, z-Höhe):
Der Betrag für Ω folgt
aus dem Betrag für C und der Drehzahl des Motors 2000 U/min.
Berechnet man das
Kreuzprodukt, so erhält man schließlich:
Die Gesamtbeschleunigung
erhält man mit (g = 9,81m/s²) zu
Die Bewegung wird durch den Luftwiderstand
gebremst. Die Kraft, mit der der Zylinder gebremst wird, folgt aus der
Gleichung
bzw.
Für unseren Zylinder im
Hörsaalversuch erhält man mit cw » 0,9 den Betrag Cw » 0,13 m-1 für die projezierte
Zylinderfläche bzw. Cw » 0,39 für die gesamte Zylinderfläche.
Die Gesamtbeschleunigung
erhält man somit zu
Da die zeitabhängige
Geschwindigkeit v in der Beschleunigung enthalten ist, bietet sich ein
iteratives Integrationsverfahren zur Lösung der Differentialgleichung an. Wir
verwenden das numerische Eulersche Integrationsverfahren mit den Anfangswerten:
vx(t=0) = 1 m/s ;
vy(t=0) = 0 m/s ; x(t=0) = 0 m ; z(t=0) = h = 5,30 m
Mit einer Schrittweite von
0,01s erhält man folgende Grafiken für die Trajektorie sowie die Flugweite in
Abhängigkeit von der Zeit:
Die Grafiken verdeutlichen
das experimentelle Resultat: Im Vergleich zum einfachen waagerechten Wurf
fliegt die Rolle weit in den Raum hinein. Die Flugzeit von 3,4s entspricht
einer Weite von etwa 7m, während im freien
Fall der Boden etwa nach einer Sekunde erreicht würde (im Video ist ein
deutliches Krachen nach 3,4s zu vernehmen). Während der ersten Sekunde stimmt
die schwach konkav gekrümmte Flugbahn gut mit der ungedämpften „grünen“ Kurve
überein.
Ohne Berücksichtigung des
Luftwiderstandes würde sich die Rolle in Form einer Zykloide durch den Raum
bewegen und durch den Auftrieb faktisch nicht an Höhe verlieren. Berücksichtigt
man den Luftwiderstand so erhält man statt der „grünen“ die „schwarze“ bzw. „rote“
Trajektorie.
Die Konstante Cw
(nicht cw) wurde angepasst. Der Wert von Cw = 0,75 ist
wesentlich höher, als der tabellierte
Zylinderwert cw»0,7.