Zur einer Phänomenologie der Polarisation

Es wird ein Ansatz zur modellfreien Beschreibung von Polarisationserscheinungen erarbeitet. Modellfrei heißt: indem man von Polarisation spricht, nicht von in der Vorstellung zugrunde gelegten Konstruktionen wie Strahlen, Teilchen oder Wellen auszugehen, die als solche keine Observablen sind, sondern zu beschreiben, was tatsächlich erscheint. Das klingt einfach, ist aber schwierig. Warum? Weil man im Aussprechen physikalischer Urteile gewohnt ist, die Erscheinungen als Folge von selbst nicht Erscheinendem zu verstehen, also z.B. die Effekte der Polarisation als durch Vorgänge mit Wellenfeldern verursacht zu denken, die sich selbst der direkten Wahrnehmung entziehen.

Weil man den konkreten Erscheinungszusammenhang eines Phänomens verlässt und das, was erscheint, zurückführt auf hypothetische Vorgänge, die einheitlichen Prinzipien gehorchen, ist man in der Lage, optische, elektrische, thermodynamische Probleme als mechanische Probleme zu formulieren. Darauf beruht die Reduktionismus genannte Urteilsform, die im 18. und 19. Jahrhundert als Instrument der klassischen Physik ausgebildet worden ist.

Demgegenüber besteht aus einer erkenntnistheoretisch motivierten, didaktischen Perspektive das Interesse, die Urteilsbildung gegenüber der Natur an die eigenen Wahrnehmungsmöglichkeiten anzuschließen, diese dadurch überhaupt zu entwickeln, zu stärken und damit das auf selbst gemachte Erfahrungen gestützte Urteil zu fördern. Von Schülern wünschen wir uns, dass sie ihre Sinne gebrauchen können, bevor sie den Nutzen vereinheitlichender Modelle schätzen lernen.

Polarisation als Bildzustand: Von den Erscheinungen ausgehen: was heißt das gegenüber der Polarisation? Ausgangspunkt einer modellfreien Optik, wie sie von Mackensen und Maier entwickelt wurde, ist die dem Gesichtssinn sich unmittelbar darbietende Ansicht der Umgebung. Im Rahmen einer so verstandenen Optik der Bilder wird der Versuch unternommen, den Polarisationszustand nicht als Eigenschaft des elektrischen Feldvektors, sondern als Bildzustand zu beschreiben. Im Zusammenspiel verschiedener optischer Elemente in verschiedenen Phasen (Atmosphäre, Wasserspiegel, doppelbrechende Kristalle) ergeben sich Beobachtungsbedingungen, unter denen sich charakteristische Helligkeitsänderungen der Ansicht wiederholen (Malus-Gesetz). Darauf und auf die Orientierung des sogenannten Haidinger-Büschels stützt sich eine empirische Definition der Polarisationszustände.

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Kontakt:  Johannes Grebe-Ellis